In der Zeit des Fastenmonats muss mit Einschränkungen im Alltag und mit erhöhter Sensibilität in Fragen des Respekts gerechnet werden
In der Praxis läuft das so ab: In der Regel bekommt man im Hotel und auf den Campingplätzen Essen serviert und es gibt mittags Restaurants, die zumindest ernähren. Das heißt aber auch, dass da und dort eine verminderte Speisekarte zur Verfügung steht. Märkte und Supermärkte haben aber geöffnet.
Das besondere spielt sich bei Einbruch der Dunkelheit ab. Ab da sind – sogar in Marrakesch – die Straßen leergefegt. Ungefähr eine Stunde danach, spült es wieder Leben in die Gassen. So lange dauert das Gebet und dann geht es wieder rund!
Nach dem täglichen Fastenbrechen wird die Nacht zum Tag gemacht. Die Tische biegen sich und es gibt jede Menge kulinarischer Köstlichkeiten.
Leere Straßen in Marrakech
Essen im Ramadan war in der Regel in den touristischeren Orten kein Problem. Auf guten Campingplätzen war das Frühstück nicht ganz so reichhaltig wie sonst. Mittags in der westlichen Sahara war es schon schwieriger. Nein, eigentlich war es dort unmöglich zu Essen zu kommen. Aber wenn man es vorher weiß, kann man sich ja darauf vorbereiten. In großen Städten wie Marrakech ist es absolut kein Problem zu jeder Zeit auch gutes Essen zu bekommen.
Zu Beginn des Ramadans 2019 bin ich von Senegal aufgebrochen um über Mauretanien nach Marokko zu reisen.
Schon am Grenzübergang zum – sehr gläubigen – Mauretanien, haben mich die Auswirkungen erwischt. Dort wo einen Monat zuvor noch sehr viel Trubel herrschte, war ich diesmal der einzige Kunde. Grenzbeamte auf der mauretanischen Seite haben ihre Arbeit im Liegen verrichtet. Ich fühlte mich nicht gerade wie ein erwünschter Gast. Im Gegenteil.
Die ersten Tage des Ramadans sind die schlimmsten. Bis sich die Gläubigen an das Fasten gewöhnt haben, vergehen ein paar Tage. Man kann sich das vermutlich auch bildlich vorstellen. Jeder einzelne ist „zwieda“ und hat weder Lust auf die Arbeit, noch ist er gewillt dem Reisenden zu helfen.
Die Dörfer, die gefüllt waren mit Leben auf meiner Hinreise, waren leergefegt. Auch die kleinen Kioske, wo man Wasser und Brot bekommt, hatten geschlossen. Diese 800km waren die einsamsten meiner Reise. Nicht nur, dass ich ungefähr 200km unbefestigte Straßen gefahren bin, es gab auf fast der gesamten Strecke, keine möglich etwas Essbares zu bekommen. Hotels und Camps waren geschlossen und Tankstellen – die ohnehin nur selten den Weg säumen – hatten noch weniger Sprit vorrätig, als auf dem Weg in den Süden.
Auf der ca. einwöchigen Reise durch Mauretanien und der westlichen Sahara, wurde ich täglich zum Essen eingeladen. Begonnen hat alles in Nuakschott, der Hauptstadt Mauretaniens, wo ich auf die Frage „gibt es in der Nähe einen Campingplatz“ sofort von einem einheimischen zum Schlafen in seinem Haus eingeladen wurde. Aber das war noch lange nicht alles. Erst haben wir viele Stunden über Politik geredet und als dann die Sonne am Untergehen war, bat mit mein Gastgeber um entschuldigen. Er musste nun zum Beten.
Als er mit dem Gebet fertig war, hat er auch schon das Abendmahl gerichtet. Der Tisch hat sich gebogen und ich durfte an einem außergewöhnlichen Essen teilhaben.
Sehr zeitig in der Früh (vor dem Sonnenaufgang) gab es dann noch ein weiteres Mahl und danach wurde ich verabschiedet. Ohne einer jeglichen Chance für diesen Luxus zu bezahlen oder einzukaufen.
In dieser Tonart ging es dann weiter. Einmal wurde ich in einem Restaurant eingeladen und habe mit der ganzen Familie des Besitzers zu Abend gegessen. Einmal hat mich der Campingplatzwärter eingeladen und ein anderes Mal der Hotel Rezeptionist, der mir nach dem Beten auch noch seine Stadt gezeigt hat.
Den Höhepunkt der Gastfreundschaftlichkeit hat sich dann am Abend meiner Ankunft in Marrakesch ereignet. Mein Motorrad musste zum Service (siehe Geschichte „Kerzenschlüssel“) und ich bin zu spät Richtung Hauptstraße. Zu spät heißt, exakt zum Sonnenuntergang. Keine öffentlichen Verkehrsmittel und kein Taxi haben mich in die Richtung meiner Unterkunft gebracht.
So saß ich verloren, schmutzig und hungrig mit meinem Gepäck am Straßenrand. Als plötzlich ein Pkw stehen blieb, eine junge Frau aus dem Auto sprang und mir mit den Worten „this is for you“ einen Karton vor die Füße legte. Ich konnte gar nicht darauf reagieren, so erstaunt war ich. Als ich die Box öffnete, war ich ziemlich Sprachlos: Wasser, Orangensaft und von der Vor- bis zur Nachspeise alles was sich ein hungriges Herz wünscht.
Wie weit es im ländlichen Gebiet getrieben wird: In der irren Mittagshitze bin ich bei mindestens 40 Grad durch ein Dorf gefahren. Die Schule war offensichtlich gerade zu Ende und einige Junge Leute waren auf dem Heimweg.
Plötzlich ist genau vor mir ein junges Mädchen umgekippt. Ihre Freundinnen haben sich sofort um sie gekümmert, aber der kleine Körper hat sich kaum bewegt. Ich bin sofort von meinem Motorrad gesprungen und zu Hilfe geeilt. Da war mir schnell bewusst, dass das Mädchen dehydrierte. Sofort hab ich meine Wasserflasche gebracht und die anderen Kinder halfen dabei. Allerdings war das
Mädchen so sehr von ihrem Glauben beeinflusst, dass ich keine Chance hatte ihr Wasser zu verabreichen. Im Gegenteil. Sie hat mich angefaucht wie eine wilde Katze und ich hatte Angst, dass sie mir die Augen auskratzt wenn ich nicht sofort verschwinde.
Selbst etwas überrascht, hab ich mir am nächsten Kiosk ein Eis gekauft. Da sind 2 Kids aufgetaucht und haben mich mit großen Augen angesehen. Ich hab sie gefragt und es hat ihnen gefallen – so sind wir 2min später zu 3. Am Boden vor dem Kiosk gesessen und haben Eis gegessen. Der Kioskbesitzer war amüsiert und hat mir einen Daumen hoch gegeben.